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Von Weihnachten im Pyjama

Ich berichte von meinem Mensch. Es ist der Mittag des Heiligen Abends, Weihnachten steht vor der Türe. Mein Mensch hat sich endlich erhoben und kommt die Treppe herabgeschritten - und das meine ich ganz genau so! Sie erscheint in Olivia von Halle gewandet in einem wunderschönen, mit historischem englischen Blumenmuster bedruckten Pajama aus schwerer Seide, angetan mit der dazu passenden gefütterten Seidenrobe im bequemen Kimonoschnitt. Farblich abgestimmt trägt sie die Pantöffelchen ihrer heiß geliebten Nachtwäsche-Hausmarke. Diese sind besetzt mit wuseligen Federn, die lebendig zu sein scheinen - denn beim leisesten Windhauch geraten sie in fröhliche Bewegung. Konsequent zu ihrem Auftritt à la Aunti Mame verlangt mein Mensch nach Champagner, direkt zum Frühstück…

Manch einer denkt nun, dass das schon egozentrisch oder zumindest komisch sei. Aber halt, es erinnert mich irgendwie an Amerika! Die merkwürdigsten Dinge haben deutsche Menschen in den vergangenen Jahrzehnten klaglos von den Amerikanern übernommen, zum Beispiel Halloween oder Essen aus Eimern. Zugegeben ist es schwer, sich diesem Hollywood-Brainwashing zu widersetzen, das schon im Kindesalter beginnt. Umso unglaublicher, dass die meisten Zeitgenossen meines Menschen dieser einen wirklich sinnvollen Idee aus amerikanischen Filmen erfolgreich widerstanden haben: Weihnachten im Pyjama. Während Amerika also am Weihnachtsmorgen recht tiefenentspannt im Schlafanzug auf dem Sofa sitzt, Geschenke auspackt und mit einem Schuss Eierlikör im Kaffee allen möglichen familiären Spannungen schon im Voraus die Schärfe nimmt, stehen die Deutschen am Heiligabend in Festgarderobe stramm und fürchten den Moment, an dem die Geschenke ausgepackt sind, nichts als den Weihnachtstag an sich. Weil es von nun an nichts anderes mehr auszupacken gibt als alte Familienthemen - Weihnachten, bis es kracht…

Glücklicherweise schwappt der Weihnachts-Pyjama-Kult endlich auch (zu) langsam zu uns herüber. Er wird bei uns gern im Familien-Partnerlook getragen, weil das ja so angenehm albern ist wie lustig bedruckte Kravatten oder Socken und obendrein direkt mal eine flache Hierarchie installiert. Die Oversized-Flanell-Variante von Kardashians Wäschelabel Skims ist z. B. eine wirklich gute Wahl, weil sie uns auch nach dem Weihnachtsfest das Herz wärmt. Und weil sie vor allem von Mutter’s Seite aus gut als rebellischer Akt funktioniert - das dem Motto von meinem Mensch gleicht: So ein Pyjama signalisiert nämlich, dass man nicht vorhat, den ganzen Tag in der Küche zu stehen. Fröhliche Weihnachten!

Danke an SZ und Julia Werner für die Inspiration

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